Zwischen Fliegen, Pferdeverhalten und Gedanken zur Rücksichtnahme

Der Herbst hatte sich heute von seiner freundlicheren Seite gezeigt, und das war auch gut so. Die letzten Tage waren ein ständiges Hin und Her gewesen – Sonne, Regen, Wind, wieder Sonne. Ein ständiges Wechselspiel, das ihn dazu zwang, die Jacke öfter zu wechseln, als ihm lieb war. Sein Auto glich mittlerweile einem fahrenden Kleiderschrank. Jacken in allen erdenklichen Dicken, Westen und was man sonst noch so brauchte, lagen griffbereit auf der Bank neben dem Fahrersitz. Heute jedoch war das Wetter stabil. Ein ganz normales Herbstwetter, weder zu warm noch zu kalt. Das war ja auch mal was.

Der Tag begann auf der anderen Rheinseite, wo er fast den gesamten Tag in einem Stall verbrachte. Es war einer dieser Tage, an denen nichts wirklich Aufregendes passierte – abgesehen von einer kleinen Episode mit einem Pferd, das sich entschied, seine eigene Route zu wählen. Während er die Tür zur Weide öffnete, nutzte das alte Tier die Gelegenheit, sich flink umzudrehen und durch die nicht ganz geschlossene Boxtür auf die Stallgasse zu entkommen. Zielstrebig marschierte es nach draußen, wo ein kleines Stück Gras offenbar verlockender war als die eigentliche Weide. Ein kurzer Moment der Freiheit, der jedoch schnell endete, als das über 30 Jahre alte Pferd sich bereitwillig einfangen ließ. Ein kleiner Zwischenfall, der den Tag zumindest ein wenig auflockerte.

Danach ging es weiter zu einem anderen Stall, zu einer Einstellerin, die vor Kurzem umgezogen war. Während der Fahrt ließ er sich ausnahmsweise von Google Maps leiten – ein Fehler, wie sich herausstellte. Das Gerät bestand darauf, ihn durch eine Wohnsiedlung zu lotsen, in der es angeblich Straßen gab, wo in Wahrheit nur Fußwege waren. Nach einigem Hin und Her schaltete er das Handy genervt aus und griff auf sein Navi zurück, das ihn schließlich zuverlässig ans Ziel brachte. Technik, dachte er, ist auch nicht mehr das, was sie mal war.

Zwischen den Terminen erinnerte er sich an ein Gespräch, das er zuvor mitgehört hatte. Es ging um die derzeitige, allgegenwärtige Coronawelle und die Frage, wie viel Rücksicht man auf andere nehmen sollte, wenn man krank ist. Eine Frau hatte sich darüber beschwert, dass eine Bekannte trotz positiver Tests und Krankheitssymptome munter unter Leute ging – zum Friseur, in den Stall, überallhin. „Es werden ja sowieso alle krank“, hatte die Bekannte gesagt. Ein Argument, das er nicht nachvollziehen konnte. Rücksichtnahme, dachte er, sollte doch selbstverständlich sein. Egal, ob es um Corona, Grippe oder irgendeine andere Krankheit geht. Es ist doch wirklich nicht zu viel verlangt, ein bisschen Abstand zu halten und andere nicht unnötig anzustecken. Aber offenbar sahen das nicht alle so.

Am Nachmittag erreichte ihn noch eine Nachricht von einer Kundin aus einem großen Offenstall. Sie wollte den nächsten Termin absagen, da sie ihr Pferd bereits wieder aus dem Stall geholt hatte. Es hatte sich dort nicht wohlgefühlt, war müde und antriebslos gewesen. Offenbar war die Haltung in der großen Herde nichts für dieses spezielle Tier. Ein Phänomen, das er schon öfter beobachtet hatte: Was für die meisten Pferde ideal ist, kann für einige wenige das genaue Gegenteil bedeuten. Manche kommen mit der ständigen Gesellschaft nicht zurecht, andere fressen sich in der Freiheit eines Offenstalls schlicht zu dick. Es war immer wieder faszinierend, wie unterschiedlich die Bedürfnisse der Tiere sein konnten.

Schließlich überquerte er die Rheinbrücke – ohne Stau, was fast schon ein kleines Wunder war. Die Aussicht auf das Wochenende ließ ihn durchatmen, auch wenn der Samstag noch ein paar Stunden Büroarbeit bereithielt. Aber das war in Ordnung. Heute Abend würde er sich erst einmal auf seine Akupressur-Matte legen. Die Nacken- und Schulterverspannungen, die ihn den ganzen Tag begleitet hatten, mussten schließlich auch irgendwo herkommen. Vielleicht war es das wechselhafte Wetter der letzten Tage, vielleicht die Arbeit mit den Vollblütern gestern, die ihm ordentlich zugesetzt hatten. Wie dem auch sei, das Wochenende würde kommen, und mit ihm hoffentlich ein wenig Erholung.

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