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Fehlstellungen beim Fohlen erkennen und korrigieren

Es ist Frühling und die ersten Fohlen haben das Licht der Welt erblickt. Für so manchen frischgebackenen Fohlenbesiter/besitzerin stellen sich nun viele Fragen. Zum Beispiel, ob das Fohlen richtig „steht“, also die Beine schön gerade sind und was man tun sollte, wenn dies nicht so sein sollte. Wann muss das Tier das erste Mal zum Hufschmied/Hufbearbeiter, wann das erste Mal zum Tierarzt?

Zu diesen Themen hat Herr Dr. Claus P. Bartmann auf den 18. Gießener Hufbeschlagtagen in der Lehrschmiede in der Klinik für Pferde der Justus-Liebig-Universität Gießen einen aufschlussreichen Vortrag gehalten, für den ich Ihm an dieser Stelle herzlich danken möchte. Ich versuche ihn hier einmal (hoffentlich) möglichst verständlich zusammenzufassen.

Zunächst ist es für das Fohlen wichtig, dass es sich nicht nur auf weichem Boden bewegt, sondern auch auf hartem, damit die Trachten die Möglichkeit haben, sich zu weiten. „Harter Boden“ meint nicht gerade Pflaster oder Asphalt, sondern den Boden, den man auf einer trockenen Wiese vorfindet.

Die erste Untersuchung des Fohlens

Die Frage, wann das Fohlen das erste Mal zum Hufschmied muss, ist nicht so leicht zu beantworten.

Dr. Bartmann ist jedoch der Ansicht, dass eine erste Beurteilung der Gliedmaße und natürlich damit auch ihrer Stellung zur ersten Fohlenuntersuchung durch den Tierarzt bald nach der Geburt gehört.

Zumindest aber sollte der Tierarzt oder auch der Hufschmied in den ersten paar Tagen das Fohlen einmal sehen. 

Dabei sollte das Fohlen mit fachmännischem Blick von vorne, von der Seite und von hinten betrachtet werden. Dabei wird man beim neugeborenen Fohlen häufig Fehlstellungen in der Gliedmaßen-Achse feststellen. Sehr oft ist dies ein Knick im Karpal- oder Sprunggelenk. 

In diesem Fall ist es wichtig, nicht nur genau von der Seite oder von vorne zu schauen. Zeigt zum Beispiel das Karpalgelenk nach außen, sollte man auch einmal eine Position einnehmen, in der man genau aus der Richtung schaut, wo das Gelenk hin zeigt. Dann kann man viel besser beurteilen, in welche Richtung die Fessel/der Huf zeigt, so dass man sehen kann, an welchen Stellen das Bein tatsächlich einen Knick hat.

Dabei seien Abweichungen von der Geraden bis zu vier Grad als in diesem Alter normal anzusehen. Aber auch, wenn die Abweichung mehr betrage, sei noch keine Panik angesagt, da sich vieles in dem ersten Wochen noch sehr von alleine verbessern kann. Schließlich ist das Fohlen in der Gebärmutter ziemlich „zusammengefaltet“ und das eine oder andere Bein braucht etwas um sich ordnungsgemäß wieder auseinander zu falten.

Die Gelenke sind noch nicht „fertig“

Um diese platzsparende „Faltung“ erreichen zu können, sind die Gelenke, Bänder und die Strukturen um die Gelenke herum noch nicht voll ausgebildet und sind eher schlaff und die Fohlen schlackern gewissermaßen noch in den Gelenken. 

Wir sollten also bedenken, dass man es hier noch mit einer Unreife-Situation zu tun hat. In den ersten Tagen kann man also bei der Beurteilung ziemlich falsch liegen und huforthopädische Korrekturmaßnahmen, die darauf beruhen können dementsprechend „nach hinten losgehen“.

Bei manchen Fohlen ist bei der Geburt die Knochenstruktur noch unreif und nicht richtig ausgebildet. Besonders in den zusammengesetzten Gelenken (Karpal und Sprunggelenk). Bis dies erfolgt ist, ist noch mancher Wandel möglich. 

In diesen Fällen der Fehlstellungen durch Unreife ist jegliche Form der Korrektur zu unterlassen. Dies muss die Natur mit Unterstützung durch die richtige Haltung und kontrollierte, zuweilen auch verminderte Bewegung selber richten. Ob so ein Fall vorliegt kann man nur anhand eines Röntgenbildes sicher feststellen.

Deswegen hält er die landläufige Meinung, dass sich diese X-beinigen, O-beinigen oder „windschiefen“ Fohlen vor allem durch möglichst viel Bewegung von alleine verbessern für gewagt. Manchmal sei gerade weniger, aber dafür kontrollierte Bewegung vorteilhaft. In welchen Fällen dies so ist, sollte der Fachmann entscheiden.

Vor allem, wenn die Vorderbeine nach außen gedreht oder X-beinig sind, kann sich diese Fehlstellung beim Wachstum des Pferdes von selber wieder ausgleichen, wenn die Brustmuskulatur sich voll entwickelt hat und die Brust insgesamt breiter geworden ist. Dann drehen sich die Vorderbeine häufig im gleichen Maße nach innen. 

Auch deswegen muss man sich bei allen Korrekturmaßnahmen am Fohlen in Acht nehmen, die Stellung nicht überzukorrigieren. Ein Fohlen, das recht regelmäßig steht, kann durchaus durch den eben genannten Mechanismus als größeres Pferd eine leicht nach innen gedrehte Stellung der Vorderbeine bekommen.

So eine Korrektur kann entweder huforthopädisch durch eine vom Bearbeiter herbeigeführte Änderung der Hufstellung erfolgen, die sich wiederum auf die Stellung der Gelenke oberhalb auswirkt. Oder sie kann auch chirurgisch erfolgen, vor allem, wenn huforthopädische Maßnahmen nicht, oder nicht ausreichend gewirkt haben. 

Bei einer X-beinigen Stellung sind in der Regel die Außenseiten der Hufe zu kürzen und bei einer O-beinigen die Innenseiten. Meistens sind diese Wandabschnitte bei den genannten Stellungsfehlern auch länger.

Wann ist eine Korrektur beim Fohlen nötig?

Wann aber ist eine Korrektur der Gliedmaßenstellung überhaupt in Erwägung zu ziehen oder sogar dringend erforderlich?

Wenn ein Bein eines neugeborenen Fohlens in einem Gelenk eine Abweichung von bis zu 4 Grad hat, kann man erst einmal entspannt abwarten. 

Es ist aber empfohlen, dass sich das Bein alle zwei bis drei Wochen ein Fachmann ansieht. 

Bei stärkeren Abweichungen ist eine engmaschige Kontrolle noch viel wichtiger. 

Bei unzureichender Verbesserung nach 5 bis 7 Tagen sollte man auf jeden Fall einen Tierarzt hinzu ziehen. 

Dies sollte man sofort tun, wenn die Abweichung im Gelenk mehr als 15 Grad beträgt. 

Vor der Durchführung von Korrekturmaßnahmen sollte dieser ausschließen, dass es sich um die bereits erwähnte “unreife Knochensituation” handelt.

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Was könnte die Ursache sein?

Wenn keine Unreife der Knochen und Bänder vorliegt, hat die Fehlstellung meist ihre Ursache in einem unterschiedlich starken Knochenwachstum an der inneren und äußeren Seite einer Wachstumsfuge.

Wodurch diese wiederum zustande kommt, ist häufig nicht herauszubekommen. 

Möglicherweise ist das Knochenwachstum durch unterschiedliche Druckverhältnisse an den beiden Seiten unterschiedlich schnell. 

Vielleicht sind aus irgendeinem Grund die Durchblutungsverhältnisse unterschiedlich. Etwa durch eine Entzündung oder traumatische Einwirkung. 

Auch Vererbung hat hier einen großen Einfluss.

Wachstumsfugen

Wie ist das nun mit den Wachstumsfugen?

Ein Röhrenknochen (und auch die größeren Knochen der zusammengesetzten Gelenke) hat an seinen Enden, die an einem Gelenk liegen kurz vor dem Gelenk in der Zeit seines Wachstums eine knorpelige Fuge, die ihn ganz durchdringt, also den gesamten Durchmesser einnimmt. 

In diesem Knorpelgewebe wird an der Seite der Wachstumsfuge (Epiphysenfuge), die vom Gelenk weg, also zum Knochenschaft hin zeigt, Knochengewebe gebildet. Der Knochen wächst also nur an diesen Stellen unmittelbar an den Gelenken in die Länge. 

Ist das Längenwachstum des Knochens abgeschlossen, verknöchert der gesamte Knorpel in der Fuge. Man sagt dann, dass die Wachstumsfuge geschlossen sei.

Daraus ergibt sich zweierlei:

Zum einen: Wenn der Knochen nicht an allen Stellen in der Wachstumsfuge gleichmäßig, also gleich schnell gebildet wird, verbiegt sich der Knochen dort. 

Wenn man diese Verbiegung wieder rückgängig machen möchte, muss man die Wachstumsverhältnisse ändern. Dort wo bisher zu schnell zu viel Knochensubstanz gebildet wurde muss man das Wachstum bremsen und/oder auf der anderen Seite beschleunigen. 

Dieses kann zum Beispiel durch huforthopädische Maßnahmen beeinflusst werden. Dadurch ändern sich die Druckverhältnisse an der Epiphysenfuge, was wiederum die Geschwindigkeit der Knochenbildung beeinflusst.

Das kann aber auch chirurgisch erreicht werden. Möchte man an einer Stelle das Wachstum beschleunigen, hebt man in einem Eingriff dort die Knochenhaut vom Knochen ab. Dadurch wird der Körper an dieser Stelle zu mehr Wachstum angeregt, gewissermaßen in dem Bestreben, den Defekt so schnell wie möglich zu reparieren.

Durch eine Klammer um die Epiphysenfuge kann man das Wachstum einseitig verlangsamen. Dies kann man auch durch die Fixierung mit Hilfe einer Schraube erreichen.

Nach der Behandlung kann diese wieder entfernt werden.

Nicht zu lange abwarten

Zum anderen:

Ist das Wachstum des verbogenen Knochens erst einmal vorbei, schließt sich die Wachstumsfuge und eine Korrektur ist nunmehr schwer möglich.

Man sollte also im Fall des Falles nicht zu lange herumprobieren.

Wenn die eingeleitete Therapie zum Beispiel in Form einer entsprechenden Bearbeitung des Hufes oder der Anbringung eines Korrektur-Klebe-Schuhs nicht fruchtet, darf man nicht zu lange zögern, weitere, auch operative Maßnahmen in Betracht zu ziehen, ansonsten ist der Zug gewissermaßen abgefahren.

Bei Fehlstellungen im Sprunggelenk oder Karpalgelenk ist besondere Eile und Aufmerksamkeit geboten, da die maßgeblichen Wachstumsfugen mitunter nach 6 Monaten geschlossen sind. 

Das heißt, alle Korrekturmaßnahmen müssen ebenfalls bis dahin abgeschlossen sein. Wohlgemerkt abgeschlossen! Eine chirurgische Maßnahme an dieser Stelle ergibt nach dem 3. oder 4. Lebensmonat meist nicht mehr viel Sinn!

Bei den Fehlstellungen der Fessel hat man etwas mehr Zeit, da die Epiphysenfugen hier erst mit 12 Monaten geschlossen sind. Das bedeutet aber auch hier: Wenn man mit dem Korrigieren der Hufe oder dem Anbringen von Korrektur-Schuhen nach 6 Monaten noch keine wesentlichen Erfolge hat, sollte man spätestens zu diesem Zeitpunkt über eine chirurgische Maßnahme nachdenken.

Erworbene Stellungsfehler

Bis jetzt hatten wir unser Augenmerk auf den angeborenen Stellungsfehlern, mit denen das Tier auf die Welt kommt und die sich dann zum Teil von alleine verbessern, oder eine Korrektur nötig oder wünschenswert erscheinen lassen.

Häufig verändern sich aber auch die Beine von recht regelmäßig geborenen Fohlen in den ersten Wochen oder Monaten in eine unerwünschte Richtung und bekommen Knicke und/oder Verdrehungen der Achsen. Dies kann fast unmerklich langsam, manchmal aber auch innerhalb von Tagen oder Wochen deutlich sichtbar vonstattengehen. 

Dies sind oft die schwerer wieder in den Griff zu bekommenden Fälle. 

Als Gründe hierfür kommen vor allem Tritte, traumatische Verletzungen, beispielsweise bei Stürzen und (u.a. daraus folgende) entzündliche Prozesse in den Wachstumsfugen in Frage. Aber auch Fehler in der Ernährung sind hier stark in der Diskussion.

Vor allem bei diesen Tieren, so Dr. Bartmann, sei das Konzept „möglichst viel Bewegung, dann wächst sich das schon aus“ in Frage zu stellen. Boxenruhe, oder doch zumindest reduzierte kontrollierte Bewegung sind vor allem bei entzündlichen Prozessen ratsam und wirken sich oft günstig auf diese erworbenen Fehlstellungen aus.

Auch bei den erworbenen Fehlstellungen muss man selbstverständlich beachten, wann die Wachstumsfugen sich schließen. Da diese Veränderungen ja erst später auftreten, ist hier meist sogar noch mehr Eile geboten und es sollte wohl überlegt werden, welche Therapieversuche noch unternommen werden. Unbedingt sollte hier ein erfahrener Tierarzt hinzugezogen werden.

In jedem Fall ist eine gute und enge Zusammenarbeit von Tierarzt und Hufschmied unabdingbar.

Gewöhnung sinnvoll

Es ist immer vorteilhaft, wenn der Besitzer jedes Fohlens dieses schon sehr früh daran gewöhnt, dass es angefasst und die Hufe hin und wieder angehoben werden. Dies erleichtert dem Hufbearbeiter und dem Tierarzt in jedem Fall das Leben, auch wenn keine besonderen Maßnahmen ergriffen werden müssen. Dann aber ist es besonders nützlich. Abgesehen davon erspart man auch dem Fohlen eine Menge Stress in vielen Lebenslagen.

Liegen keine Besonderheiten in Form von Fehlstellungen oder Fehlbildungen vor, sollte in jedem Fall im Alter von 6-8 Wochen durch den Hufschmied/Hufbearbeiter die erste vorsichtige Hufbearbeitung erfolgen. Sollten sich oben genannte Fehlstellungen ausbilden, ist das Intervall dementsprechend anzupassen, was auch schon einmal einen Zeitraum von wenigen Tagen bedeuten kann.

Warum überhaupt korrigieren?

Aber warum sollte man überhaupt versuchen, einen Stellungsfehler, oder sprechen wir mal etwas wertneutraler von einer Abweichung von der regelmäßigen Stellung, zu korrigieren? Ist das nicht manchmal nur ein Schönheitsfehler? Das Pferd soll gar nicht in den Sport, ist da nicht so ein kleiner Knick im Bein egal? 

Je stärker die Abweichung vom Idealen ist, desto größer die Möglichkeit von Folgeschäden und desto früher können sie auftreten. Bei allen Knicken im Bein werden Gelenke ungleichmäßig belastet, was früher oder später zu Arthrose führen kann. Bei sehr starken Fehlstellungen können diese teilweise schon bei sehr jungen Pferden auftreten.

Auch die Bänder, die das Gelenk stabilisieren können leiden.

Bei „krummen Beinen“ zeigen die Pferde oft Bewegungsstörungen (Paddeln, Bügeln), bei denen das Bein in der Bewegung bei jedem Schritt nach außen oder innen (oder beides nacheinander) schwingt. Das sieht nicht nur unschön aus, sondern kann auch wiederum zu Problemen führen. Das Pferd kann sich beispielsweise selber gegen das gegenüber liegende Bein treten (streifen). Wenn das Pferd einmal beschlagen werden muss, verstärkt sich dieser Effekt durch das Gewicht des Beschlages sogar noch.

Außerdem führen Fehlstellungen praktisch immer dazu, dass die Gewichtsbelastung im Huf nicht in der Hufmitte ist, sondern auf der Innen- oder Außenseite. Dies führt zu einem asymmetrischen Huf, der eine schmalere und eine breitere, sowie eine steilere und eine flachere Seitenwand hat.

Auch nur ein Schönheitsfehler? Nein, denn auf der schmaleren und steileren Seite des Hufes kann sich leicht ein einseitiger Hufzwang entwickeln, der zu hartnäckiger Strahlfäule, Hufknorpelverknöcherung und Hufgelenksentzündungen führen kann.

Ein Foto des Fohlens ausmessen

Aber wie findest Du heraus, wieviel Grad ein Knick im Bein des Fohlens hat?
Das ist heutzutage ziemlich leicht, wenn Du ein Smartphone hast. Es gibt ja (fast) für alles eine App.
Sie misst zwar nicht automatisch, aber Du kannst ein Foto machen und die Winkel auf dem Bildschirm ausmessen.

Wähle den Aufnahmestandort für das Foto so, dass Du das Gelenk, das Du messen willst auf Augen(Kamera)höhe hast.
Du solltest Dich außerdem so positionieren, dass Du von Deinem Standpunkt aus den Knick am besten sehen kannst. Das muss nicht unbedingt genau von vorne sein. Probiere etwas herum.

Wenn Du ein brauchbares Foto hast, lade es in die App. Ich benutze ImageMeter in der kostenlosen Version für Android.
Jetzt musst Du die Winkelmessfunktion benutzen und zwei Linien einzeichnen. Nachher kannst Du Anfangs-, End- und Mittelpunkt noch nachjustieren. nun zeigt Dir die App den Winkel an.

Beachte, dass eine gerade Linie 180° hat. Wenn also 175° an dem Winkel angezeigt wird, beträgt die Abweichung 5°.

Foto zur Ermittlung der Fehlstellung eines Fohlens
Foto zur Ermittlung der Fehlstellung eines Fohlens mit Winkeln

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