Er begann den Tag wie gewohnt, mit einem klaren Ziel und einem vollen Zeitplan. Der große Offenstall stand zuerst auf der Liste, und dort sollte er den Großteil seiner Arbeit verrichten. Doch schon bei der Ankunft wurde ihm klar, dass dieser Tag nicht einfach nur ein weiterer Arbeitstag werden würde. Der Tierarzt war da, und zwei Pferde, die ihre besten Jahre längst hinter sich hatten, wurden eingeschläfert. Ein stiller Abschied, der die Stimmung am Stall schwer und gedrückt machte. Er konnte es nicht ändern, aber er spürte, wie die Schwermut sich wie ein feiner Schleier über die Menschen und Tiere legte.
Die Zeit verging, und mit ihr löste sich die bedrückende Atmosphäre langsam auf. Er widmete sich seiner Arbeit, beobachtete, sprach, und wie so oft, lernte er. Ein Pferd, das vor acht Monaten die Hufeisen abgelegt hatte, zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Die Hufe hatten sich verändert – enger und steiler, entgegen der allgemeinen Erwartung. Doch diese Veränderung war positiv, der neue Winkel passte besser zum Fesselstand. Es war eine dieser Beobachtungen, die ihn immer wieder daran erinnerten, dass die Natur ihre eigenen Regeln hat, und dass man manchmal einfach nur genau hinsehen muss, um sie zu verstehen.
Dann war da noch die Reitbeteiligung eines Pferdes, das seit Wochen mit einem Hufgeschwür kämpfte. Eine Geschichte voller Höhen und Tiefen: Klinikaufenthalt, Besserung, Rückfall, und schließlich die Entleerung des Geschwürs über den Kronenrand. Das Pferd lief inzwischen wieder leidlich gut, aber die Eiterung hielt an. Er wusste, dass eine gründliche Öffnung des Hufs die beste Lösung wäre, doch die Konsequenzen – mindestens drei Wochen Boxenruhe – waren nicht leichtfertig zu entscheiden. Es würde eine gemeinsame Überlegung mit der Besitzerin und dem Tierarzt erfordern, ob man abwartete oder aktiv eingriff. Ein Balanceakt zwischen Geduld und Entschlossenheit.
Ein weiteres Pferd wurde wegen Kolikverdacht in eine Krankenbox gestellt. Doch es zeigte sich schnell, dass die Sorge unbegründet war. Atemfrequenz und Puls waren normal, und das Pferd äppelte brav innerhalb einer Stunde. Manchmal war es eben auch beruhigend, wenn sich Probleme einfach in Luft auflösten.
Jetzt, am späten Nachmittag, saß er im Auto und fuhr zum nächsten Stall. Drei Pferde warteten dort noch auf ihn, und er wusste, dass der Tag erst enden würde, wenn auch diese Arbeit getan war. Der Spätsommer zeigte sich heute von seiner besten Seite – 16 Grad und Sonnenschein. Ein Wetter, das fast zu schön war, um wahr zu sein, und das leider auch die Fliegen wieder aus ihren Verstecken lockte. Ironisch, wie selbst die Natur ihre kleinen Sticheleien einstreute.
Er dachte an den Tag zurück, an die Höhen und Tiefen, an die Gespräche und Beobachtungen. Es war ein Tag wie viele andere, und doch war er einzigartig. Ein Tag, der ihn daran erinnerte, dass seine Arbeit nicht nur aus Hufen bestand, sondern aus Geschichten, aus Leben, aus Entscheidungen. Und während er den Hof erreichte, wusste er, dass der Tag noch nicht vorbei war – aber das war in Ordnung.
