Juli 26

Hufmechanismus: Zwischen Mythos, Meinung und Mikroskop

Hufmechanismus – Was verstehen wir eigentlich darunter?

Das Thema wird in den sozialen Medien, vor allem auf Facebook, immer wieder heiß diskutiert. Dort werden oft Maßnahmen, die laut Meinung der Diskutanten den Hufmechanismus einschränken, fast schon diskriminiert. Meiner Meinung nach ist eine differenzierte Betrachtung aber dringend nötig – und oft werden die Dinge falsch oder zu undifferenziert betrachtet. Dieser Beitrag entstand, nachdem ich an einem spannenden Webinar mit Professor Christopher C. Pollitt aus Brisbane, Australien, teilnehmen durfte (organisiert von Jasmin Pekrul).

Bevor ich erzähle, wie Prof. Pollitt das Thema sieht, nochmal zur Klarstellung: Hierzulande versteht man unter dem Hufmechanismus meist die Verformung der Hornkapsel, die beim Aufsetzen und Belasten des Hufs eintritt. Die Trachten weichen auseinander, der Hufrücken senkt sich etwas ab – und schon entbrennt die Diskussion: Wie stark muss dieser Hufmechanismus sein? Ist ein Eisenbeschlag oder Kunststoffbekleb schädlich, weil sie den Mechanismus einschränken?

Unterschiedliche Ansichten: Hufmechanismus oder Hufdeformation?

Ich erinnere mich an eine Fortbildung vor etwa 10-15 Jahren. Dort stellte ein Referent die konträre Ansicht auf, dass ein Huf, der auf Eisen steht, sich durch das Fehlen des „weichen“ Materials unter dem Strahl eher UNNATÜRLICH weit ausdehnt. Nach seiner Meinung wird der Hufmechanismus auf hartem Untergrund sogar gefördert – also genau das Gegenteil der weitverbreiteten Ansicht. Sein Vorschlag: Wenn beschlagen, dann nur mit Platte und Polster, um den natürlichen Bodenkontakt zu simulieren und den Hufmechanismus im natürlichen Rahmen zu halten.

Das zeigt nur: Die Diskussion ist alt, vielfältig und oft bleibt die eigentliche Bedeutung des Hufmechanismus (v.a. für das Innere des Hufs) ungeklärt. Fördert er tatsächlich die Durchblutung? Ist er nötig, um Hufe zu weiten – oder macht er sie zu weit?

Professor Pollitt: Was wirklich zählt im Huf

Kommen wir zu Professor Pollitt. Ich halte sehr viel von ihm: Jahrzehntelang hat er sich an der Uni Brisbane ausschließlich mit dem Huf beschäftigt – als „One-Disease-Veterinarian“, weil er Hufrehe verstehen und letztlich vermeiden wollte.

Pollitts klare Aussage: Der Hufmechanismus ist existenziell. Wenn man ihn vollständig ausschaltet, sterben in bestimmten Hufregionen massenhaft Zellen ab – unter dem Mikroskop sind Anzeichen von Hufrehe zu erkennen.

Allerdings: Wenn Pollitt von Hufmechanismus spricht, meint er etwas anderes als wir. Für ihn ist es die Bewegung des Hufbeins innerhalb der Hornkapsel – eine minimale, aber entscheidende Bewegung.

Kurz erklärt: Das Hufbein ist innen per Hufbeinträger (Lederhaut) an der Hornkapsel befestigt. Bei jedem Schritt bewegt sich das Hufbein ein klein wenig nach unten – die Hornkapsel bewegt sich mit, aber die Verbindungen sind elastisch und sehr gut durchblutet. Erst durch diese Bewegung entleeren sich die Venen richtig. Der vom Herz erzeugte Blutdruck genügt zwar für die arterielle Versorgung, reicht aber kaum, um das verbrauchte Blut durch die Kapillaren und etwa einen Meter „bergauf“ zum Herz zurückzupumpen. Diese Aufgabe übernimmt der Hufmechanismus – genauer: die Bewegung des Hufbeins.

Der Versuch: Was passiert im Huf beim Belasten wirklich?

Pollitt und sein Team haben vor Jahren einen eindrücklichen Versuch durchgeführt. Ein abgetrenntes Pferdebein wurde in eine Hydraulikpresse gespannt, um Gewichtsbelastung zu simulieren. “künstliche Arterien” wurden angeschlossen, Venen verlängert und mit kleinen Kanülen verbunden. Floss  Kochsalzlösung bei „normalem“ Druck in die Arterie, passierte zunächst – nichts.

Aber: Sobald die Presse das Bein belastet, spritzt aus den Venen Flüssigkeit heraus. Jedes Mal, wenn die Belastung kommt, wird das Blut aus den Venen „gepresst“ – ansonsten nicht.

Bilder und Videos des Versuchs

Versuchsaufbau Pollit Hufmechanismus

Das Bild zeigt das Bein eingespannt in die Hydraulikpresse (Belastung bis zu einer Tonne möglich).

Im Video ist zu sehen, wie unter Belastung die Flüssigkeit durch die Venen förmlich herausgedrückt wird – bei Entlastung stoppt dies sofort.

Die innere Bewegung zählt – nicht allein die Hornkapsel!

Um zu überprüfen, was passiert, wenn der innere Hufmechanismus ausgeschaltet wird, wurde ein weiterer Versuch an (zur Schlachtung vorgesehenen) Pferden gemacht: Eine Metallplatte wurde außen an der Hornkapsel befestigt und das Hufbein mittels langer, stabiler Schrauben daran fixiert. Das Pferd zeigte nachher kaum Larmheit, und eigentlich war der Huf mechanisch weiter funktionstüchtig.

Nach einer Woche wurden die Hufe untersucht. Ergebnis: Massenhafter Zelltod, Anzeichen von Hufrehe. Die Mikrozirkulation war offenbar gestört, Glucose als „Treibstoff" kam nicht mehr in die Zellen – Mikrosystem, Kreislauf im Huf, stillgelegt.

Was ist mit Beschlag? Verringert ein Eisen die Durchblutung?

Eine Frage, die natürlich nach solchen Ergebnissen immer gestellt wird: Wird der innere Hufmechanismus durch Hufbeschlag beeinträchtigt? Was ist mit Pferden, die z.B. eine Hufbeinfraktur haben und Monate lang „stillgelegt“ sind?

Pollitts Team hat den Versuchsaufbau nach dem Beschlagen des Hufs (mit Eisen, drei Nägel je Seite) wiederholt. Die Menge an gefördertem „Blut“ war exakt die gleiche wie vorher. Der Beschlag hatte keinen erkennbaren Effekt auf die Durchblutung des Hufes.

Das heißt: Ein regulärer Hufbeschlag beeinträchtigt die Durchblutung des gesunden Hufes nicht. Seit Langem ist dies dokumentiert – falls jemand andere Ergebnisse kennt, würde ich mich über Hinweise freuen!

Feedback?

Wenn Du eine andere Sicht auf den Hufmechanismus hast und Deine Quellen mit mir teilen möchtest, schreibe mir einfach eine Email über das Kontaktformular, oder direkt an info@hippophil.de.

Zu diesem Blogbeitrag gibt es eine Podcastfolge und ein Video auf meinem Youtube Kanal

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