Ein Tag wie ein ruhiger Fluss, dachte er, während er die Werkzeuge zurück in das Auto legte. Keine Hektik, keine überfüllten Stallgassen, keine Pferde, die sich mit aller Macht gegen die Arbeit wehrten. Die Kuokratie der Pferde war heute fast schon erholsam – ein Begriff, den er sich selbst ausgedacht hatte, um die friedliche, kooperative Haltung der Tiere zu beschreiben. Es war einer dieser Tage, an denen die Gespräche mit den Menschen fast interessanter waren als die Arbeit selbst. Fast.
Da war diese Frau mit ihrem Pony. Ein kleiner, frecher Kerl, wie Ponys eben oft sind. Sie hatte ihn, wie sie selbst zugab, eigentlich nur zum Liebhaben. Er konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, als sie erzählte, dass das Pony nicht gut erzogen sei. Nicht gut erzogen? Das war noch milde ausgedrückt. Das Tier hatte die Führungsrolle in der Beziehung längst übernommen, und sie schien das nicht einmal zu stören. Sie wich zur Seite, wenn das Pony auf sie zukam, ließ es am Wegesrand fressen, wann es wollte, und folgte ihm mehr, als dass sie führte. Ein Freund wollte sie sein, sagte sie. Aber er hatte ihr zu bedenken gegeben, dass auch in Pferdefreundschaften immer einer führt und einer folgt. Das Pony hatte das längst verstanden – sie offenbar nicht.
Er hatte ihr erklärt, dass diese Dynamik auf ihren Spaziergängen dazu führte, dass sie regelmäßig den Kürzeren zog. Ihr Arm tat ihr manchmal weh, weil das Pony an ihr herumzerrte. Sie hörte ihm zu, nickte an den richtigen Stellen, und vielleicht hatte sie sogar ein paar seiner Gedanken mitgenommen. Aber ändern würde sich wohl nichts, was ja auch ok war. Zumindest beim Hufschneiden war das Pony brav gewesen. Vielleicht lag es an seiner eigenen Haltung, seinem sicheren Auftreten. Pferde spüren so etwas, dachte er. Sie spüren, wer führt und wer folgt.
Das zweite Gespräch des Tages war von einer anderen Art. Ein 16-jähriger Rentner, ein Gnadenbrotpferd mit einer Geschichte, die ihn innehalten ließ. Hufgelenksarthrose, entstanden durch eine Hufbeinfraktur – ein Unfall, der so absurd klang, dass er ihn fast nicht glauben konnte. Das Bein war dem Tierarzt aus der Hand geglitten, die Hufspitze hatte den Beton getroffen, und das Hufbein war gebrochen. Er erinnerte sich an die Worte seines Chefs aus der Ausbildung: „Ein Huf darf nie einfach losgelassen werden.“ Damals hatte er genickt, hatte es sich gemerkt, aber insgeheim gedacht, dass so etwas doch kaum passieren würde. Und doch – hier war der Beweis. Ein lebendiger Beweis, der ihm zeigte, dass auch die absurdesten Geschichten manchmal wahr sind.
Das Pferd hatte trotz allem eine Turnierkarriere hingelegt, bevor es mit 16 Jahren in Rente geschickt wurde. Eine leichte Lahmheit, nichts Dramatisches, aber genug, um die Entscheidung zu treffen. Er hatte das Tier heute ausgeschnitten, und während er arbeitete, dachte er darüber nach, wie fragil doch alles war. Ein Moment der Unachtsamkeit, ein Huf, der den Boden berührt, und schon ist alles anders.
Er schloss das Auto und sah sich um. Der Tag war vorbei, und er fühlte sich seltsam zufrieden. Es war ein ruhiger Tag gewesen, ja, aber nicht ohne seine kleinen Überraschungen. Ein Pony, das die Führung übernimmt, und ein Rentner, der ihm eine Lektion erteilt hatte, die er längst kannte, aber nie wirklich begriffen hatte. Vielleicht war es das, was ihn an diesem Beruf so faszinierte – die kleinen Geschichten, die sich zwischen den Hufen und den Menschen versteckten. Geschichten, die ihn immer wieder daran erinnerten, dass er nicht nur mit Werkzeugen arbeitete, sondern mit Leben.
