Ein Tag, der sich wie ein kleiner Marathon anfühlte, aber ohne die Medaille am Ende. Er begann wie gewohnt, mit einem routinierten Griff nach den Werkzeugen und einem kurzen Blick auf die Liste der Stationen. Alles schien zunächst überschaubar – die Ställe lagen nah beieinander, keine langen Fahrten, keine endlosen Kilometer auf staubigen Straßen. Doch die Nähe täuschte, wie sich bald herausstellen sollte.
Am ersten Stall wartete ein alter Bekannter, ein Pferd, das trotz seiner Arthrose erstaunlich gut laufen konnte, aber die Hufe vorne? Die waren eine andere Geschichte. Es war, als hätte das Tier beschlossen, ihm eine Lektion in Geduld zu erteilen. Sekundenweise hielt die Besitzerin den Huf hoch, er machte ein paar Schnitte, das Pferd setzte ab. Wieder hoch, wieder ab. Ein Tanz, der mehr an eine akrobatische Übung erinnerte als an eine routinierte Arbeit. Es dauerte doppelt so lange wie üblich, aber am Ende war es geschafft – mit viel Zeit, Geduld und einem Hauch von Improvisation.
Der zweite Stall brachte eine andere Art von Herausforderung. Ein weiteres altes Pferd, diesmal unruhig, weil es von seinen Stallkollegen getrennt war. Die Aufregung des Tieres war spürbar, fast greifbar, und dann – ein Tritt. Nicht stark, nicht verletzend, aber doch ein Moment, der den Puls in die Höhe schnellen ließ. Adrenalin schoss durch seinen Körper, und plötzlich war da diese Stille. Er sprach kaum noch, konzentrierte sich nur darauf, die Arbeit schnell und präzise zu beenden. Die Besitzerin schien irritiert, vielleicht sogar besorgt über seine plötzliche Wortkargheit, aber er wusste, dass es besser war, sich auf die Aufgabe zu fokussieren, als sich in Erklärungen zu verlieren.
Die dritte Station war wie immer ein kleiner Wirbelsturm. Ein Zuchtbetrieb, wo die Hufe von Fohlen, dreijährigen Pferden und Mutterstuten gemacht werden mussten. Die jungen Pferde waren lebhaft, fast übermütig, und die Arbeit war turbulent. Er konnte schon jetzt die Verspannungen in Schultern und Nacken erahnen, die ihn später erwarten würden. Wärme und Übungen würden helfen, hoffte er – oder zumindest den Schmerz erträglicher machen.
Zwischen all dem Chaos schlich sich ein Gedanke in seinen Kopf, ein Fragment aus einer Fortbildung vor zwei Jahren. Eine Tierärztin, die auch in seinem Beruf tätig war, hatte damals eine Studie zitiert. Pferde, so hieß es, reagieren sensibel auf den Herzschlag des Menschen. Ein erhöhter Puls bei der Person, die das Pferd hält, kann das Tier aufregen, fast wie ein unsichtbarer Strom, der durch die Verbindung fließt. Der Herdentrieb, dachte er, das musste es sein. Ein faszinierender Effekt, der ihm heute mehr als einmal durch den Kopf ging. Er nahm sich vor, die Studie noch einmal nachzulesen – irgendwann, wenn die Zeit es zuließ.
Und so endete ein turbulenter Tag, der ihm wieder einmal zeigte, dass Routine nur eine Illusion ist. Ein Tag, der ihn forderte, ihn lehrte und ihn daran erinnerte, dass selbst die kleinsten Details – ein Herzschlag, ein Moment der Konzentration – den Unterschied machen können.
