Der Tag begann, wie so viele andere, mit einem Besuch im großen Offenstall. Er hatte sich schon daran gewöhnt, dass die Morgenstunden oft die ruhigsten waren – zumindest, wenn man von den Pferden absah, die ihre ganz eigenen Vorstellungen von Ruhe hatten. Heute war es eine Stute mit einem Bekleb, der sich langsam in seine Bestandteile auflöste. Sieben oder acht Wochen hatte das Material durchgehalten, was durchaus im Rahmen lag. Der Bekleb war ohnehin nur eine Übergangslösung gewesen, um den Hufen eine Wachstumsphase zu gönnen. Und so entschied er, die Stute barfuß zu lassen. Der Bekleb wurde entfernt, und das Pferd lief einwandfrei. Ein kleiner Erfolg, der ihn zuversichtlich stimmte – zumindest für den Moment. Ob es so bleibt, wird sich zeigen, aber Optimismus schadet ja bekanntlich nicht.
Kaum war der erste Termin abgehakt, ging es weiter zu einer Gruppe Pferde auf der Wiese. Der Arbeitsplatz war improvisiert, wie so oft: ein Stallzelt, das immerhin eingestreut war, und ein Stück Wiese, das als Schneideplatz herhalten musste. Die Herausforderung lag jedoch weniger im Untergrund als in der Gesellschaft. Die dominante Leitstute machte ihrem Titel alle Ehre und war wenig geneigt, ihm oder den anderen Anwesenden Raum zu lassen. Mit einer Mischung aus Entschlossenheit und Vorsicht gelang es ihm, sich ihren Respekt zu sichern – zumindest so weit, dass er arbeiten konnte.
Eine pferdeunerfahrene Frau, die helfen wollte, hatte weniger Glück. Die Leitstute drohte ihr und keilte mit den Hinterbeinen aus, was die Frau verständlicherweise in Panik versetzte. Er konnte nur trocken feststellen, dass die Stute sie wohl kaum ernsthaft treffen wollte – wenn sie es gewollt hätte, hätte sie es auch getan. Doch die Situation war bedrohlich genug, um eine Lektion zu hinterlassen: In eine Gruppe von Pferden sollte man niemals unvorbereitet gehen. Ein Grundwissen über ihre Verhaltensmuster ist keine Option, sondern eine Notwendigkeit. Und dann war da noch das Futter. Futter in einer Herde? Ein Rezept für Chaos, wenn man nicht genau weiß, was man tut. Er machte sich eine mentale Notiz: Futter und Pferdegruppen – eine Kombination, die man besser vermeidet.
Nun war er auf dem Weg zum letzten Stall des Tages. Zwei Pferde warteten darauf, ausgeschnitten zu werden. Er erwartete keine besonderen Vorkommnisse, und das war vielleicht das Beste, was man sich nach einem Tag wie diesem wünschen konnte. Ein wenig Routine, ein wenig Normalität – das klang fast wie ein Luxus. Aber wer weiß? Mit Pferden ist nichts jemals wirklich vorhersehbar.
